Studium

Lebensretter: Was hinter einer Stammzellenspende steckt

Lesedauer: 7 min

Helden gesucht: Eine Stammzellspende kann Blutkrebs-Patienten heilen. Doch dazu braucht es einen genetischen Zwilling – und medizinisches Personal, das sich um alles kümmert. Der Student Kai Kolsch ist einer von diesen Zwillingen. Hier erzählt er, wie er die Spende erlebt hat. Zudem erfahrt ihr, welche Berufsfelder hier involviert sind.


Wenig Aufwand, großer Effekt
Wenig Aufwand, großer Effekt
Kai Kolsch hat sich bei der DKMS registrieren lassen und so ein Leben gerettet.
© Kai Kolsch
© Kai Kolsch
Wenig Aufwand, großer Effekt
Kai Kolsch hat sich bei der DKMS registrieren lassen und so ein Leben gerettet.
Wenig Aufwand, großer Effekt

Kai Kolsch (24) sitzt auf einem großen, gepolsterten Stuhl. Vor ihm auf einem kleinen Tisch hat er den aufgeklappten Laptop stehen, Kopfhörer in den Ohren und schaut eine Serie auf Netflix. Eine große, dicke Nadel steckt in seinem linken Arm. Eine etwas kleinere Nadel im rechten. An einem Tropf neben dem Stuhl hängen Beutel mit einer durchsichtigen, einer gelben und einer roten Flüssigkeit. Seit Stunden sitzt Kai in dem Krankenhauszimmer und spendet Stammzellen.

Informieren, registrieren, spenden

Die Spende von körpereigenen Stoffen kann Leben retten. Im April 2020 wandten sich die Krankenhäuser zum Beispiel auch an Menschen, die eine Corona-Infektion überstanden hatten, um möglichst mit deren Antikörpern andere schwer Erkrankte zu heilen. Eine periphere Stammzellspende oder eine Knochenmarkspende dagegen kann vor allem Blutkrebs-Patienten helfen.

Jährlich erkranken rund 12.000 Menschen in Deutschland daran – zum Beispiel an Leukämie. Dabei ist das blutbildende System gestört und lebensnotwendige Funktionen wie der Transport von Sauerstoff funktionieren nicht mehr. Wenn eine Strahlen- oder Chemotherapie dann nicht helfen, kann es nur eine Stammzellspende. Ein Onkologe übernimmt die Transplantation. Für 9 von 10 Patienten wird ein genetischer Zwilling gefunden, jeder 10. Patient wartet vergeblich auf einen passenden Spender.

Jetzt informieren

Pflegekräfte dringend gesucht!

Der Pflegereport der Bertelsmann Stiftung prognostiziert, dass die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 um 50 Prozent steigen wird. Zeitgleich nimmt die Zahl derer ab, die in der Pflege arbeiten. In zehn Jahren werden 500.000 Vollzeitkräfte in der Pflege fehlen, wenn sich die Zahlen weiter so entwickeln. Infos zu medizinischen Berufen und den Karrierewegen findest du hier: www.praktischarzt.de/medizinische-berufe

Als sich Kai einige Monate zuvor bei der Deutschen  Knochenmarkspender-Datei (DKMS) registriert, rechnet er nicht damit, tatsächlich Spender zu werden. Denn für junge Menschen liegt die Wahrscheinlichkeit nur bei einem Prozent, dass ihre Gewebemerkmale tatsächlich mit denen eines Blutkrebs-Patienten übereinstimmen.

„Nachdem ich schon einige Typisierungsaktionen an der Uni gesehen habe, bin ich neugierig geworden und habe mich bei YouTube über die Stammzellspende informiert. Das hat mich in meiner Idee bestärkt, mich registrieren zu lassen. Also habe ich mich online angemeldet“, erinnert sich Kai, der in München Geodäsie und  Geoinformation studiert. Kurz darauf erhält er Post von der DKMS. Mit zwei Wattestäbchen nimmt er einen Abstrich seiner Wangenschleimhaut und schickt alles zurück. Dann heißt es warten auf die Laborergebnisse.

Der genetische Zwilling 

An einem Morgen im Dezember, Kai hat zufällig von der Uni frei, klingelt sein Telefon. Die DKMS. Es gibt eine sehr hohe Übereinstimmung mit einem Patienten. Mit wem, bleibt anonym. Es kann ein Patient aus der ganzen Welt sein, den der Spender nach einer Anonymitätsfrist von zwei Jahren kennenlernen darf, sofern beide Seiten das möchten und es im Herkunftsland des Patienten ebenfalls erlaubt ist. Einige Fragen und einen Bluttest später steht fest: Kai kann ein Leben retten.

Bei der Voruntersuchung im Entnahmezentrum in Nürnberg, zwei Wochen vor der Spende, wird der Student nochmal durchgecheckt: Blut, Leberwerte, Ruhe-EKG – das komplette Programm. „Eine Pflegerin hat mir den Ablauf erklärt und mir die Räumlichkeiten gezeigt. Sie hat mir einen körpereigenen Stoff mitgegeben, der die Stammzellenproduktion anregt, und den ich mir vier Tage lang und am Morgen der Spende spritzen musste.“

Unangenehm, aber nicht schmerzhaft

Am Tag der Spende erscheint Kai um 8.30 Uhr in der Klinik. Die Pflegeleitung nimmt ihn in Empfang und geht mit ihm in den Raum, in dem die Stammzellspende stattfinden soll. Mit einem Wärmekissen unterm Arm werden Kais Venen vergrößert – dann geht es auch schon los. Zwei Kanülen, eine in jede Armbeuge. „Die Nadel hat mich ein bisschen nervös gemacht“, gibt Kai zu.

Doch die Zugänge sind schnell gelegt, zwar ein unangenehmes Gefühl, aber nicht schmerzhaft. Vier Stunden sitzt Kai auf dem Stuhl. Aus dem einen Arm wird mit einer dickeren Kanüle Blut entnommen und in eine Maschine geleitet, in der die Stammzellen herausgefiltert werden. Das restliche Blut fließt über den anderen Arm wieder zurück in Kais Kreislauf. Hin und wieder kommt eine Pflegerin vorbei und überprüft, ob alles in Ordnung ist. 

Rigatoni, Salat und Dessert

Direkt nach der Entnahme werden Kais Stammzellen darauf getestet, ob der Anteil ausreicht, um dem Patienten zu helfen. In rund zehn Prozent der Fälle muss am nächsten Tag eine zweite Spende gemacht werden. Doch Kai hat Glück – sein Job ist erledigt. Während er auf das Ergebnis wartet, gibt es im Krankenhaus noch Rigatoni, Salat und ein Dessert. Dann darf er wieder nach Hause fahren – nicht selbstständig, seine Freundin sitzt am Steuer. Er soll sich in den kommenden Tagen schonen.

Zwei Tage nach der Spende. Kai fühlt sich etwas schlapp, nach der Spende hat er 13 Stunden geschlafen. Leichte Kopfschmerzen erinnern ihn noch an den Aufenthalt im Krankenhaus. Aber er ist glücklich. „Im Vergleich zu dem, was ich auf mich nehmen musste, ist der positive Effekt um ein Vielfaches größer. Ich würde es sofort wieder tun.“ Mittlerweile haben sich auch Freunde von ihm registrieren lassen. Um vielleicht auch ein Leben zu retten.

Berufsbilder rund um die Stammzellenspende:

Onkologe/-in

Die Onkologie befasst sich mit der Vorbeugung, Diagnostik und Therapie von Krebs und ist ein Teilgebiet der Inneren Medizin. Nach erfolgreich abgeschlossenem Medizinstudium machst du eine Weiterbildung zum Facharzt der Onkologie. 

  • Voraussetzung: Abitur mit sehr guten Noten
  • Dauer: 6 Jahre
Medizinisch-technische/-r Angestellte/-r (MTA)

Im Labor untersuchen Medizinisch-technische Angestellte das Blut von Spendern und Patienten. Während deiner Ausbildung kannst du dich auf Laborassistenz spezialisieren. 

  • Voraussetzung: Realschulabschluss und Interesse an Chemie und Biologie
  • Dauer: 3 Jahre

„Die Mitarbeiter im Krankenhaus waren total freundlich und haben sich gut um mich gekümmert. Ich habe gemerkt, wie viel Spaß den Pflegerinnen ihr Beruf macht und mich dadurch wohlgefühlt.“

Kai Kolsch, Stammzellenspender
Pflegefachmann/-frau

Seit Januar 2020 haben Krankenpfleger eine neue Berufsbezeichnung. Sie kümmern sich um Patienten, führen medizinische Behandlungen durch und verwalten Patientenakten.

  • Voraussetzung: Mittelschulabschluss
  • Dauer: 3 Jahre
Pflegedienstleiter/-in

Der Weg zur Pflegedienstleitung führt entweder über ein Studium, etwa Pflegemanagement, oder eine Ausbildung im Bereich der Pflege und anschließender Weiterbildung. Danach bist du die Schnittstelle zwischen der Stationsleitung und der Geschäftsführung.

  • Voraussetzung: Abitur oder abgeschlossene Pflegeausbildung
  • Dauer: zwischen 3 und 6 Jahre, je nach Karriereweg

Lebensretter werden

Du willst auch spenden?

Grundsätzlich kann jeder gesunde Mensch, der zwischen 17 und 55 Jahren alt ist und nicht bereits bei der DKMS oder einer anderen Datei registriert ist, Stammzellspender werden.
Informiere dich unter: www.dkms.de

Die Autorin
Nina Probst

Von Laufen über Klettern bis hin zu Eishockey, Nina ist eine Sportskanone. Neben dem Sport gehört auch das Texten zu ihrer Leidenschaft. Die hat sie auch zu ihrem Beruf gemacht und ist nun als freie Texterin tätig.